BEITRAG ZUR QUALITÄTSSICHERUNG IM STRASSENBAU
Leitfaden 2017
2 Qualitätssicherung im Straßenbau
2.1 Allgemeines
Im Allgemeinen werden Straßen durch Steuermittel finanziert und stellen einen bedeutenden Teil des Anlagevermögens des Staates, also des Bundes, der Länder, der Kreise, der Städte und der Gemeinden dar. Sie sind ein wichtiger Teil der Infrastruktur und damit Grundlage für den Wirtschaftsstandort Deutschland, für die wirtschaftliche Entwicklung von Regionen und ein Baustein für die kulturellen und sozialen Bedürfnisse der Bürger.
Ziel der Qualitätssicherung im Straßenbau ist der Bau von Verkehrsflächenbefestigungen mit langer Nutzungsdauer und geringem Erhaltungsaufwand während dieses Zeitraumes. Die Basis für die Qualitätssicherung ist das Technische Regelwerk, das anhand von Erfordernissen, Erfahrungen und wissenschaftlichen Forschungen ständig fortgeschrieben wird. Die Qualitätssicherung erfolgt in den zwei Ebenen
- Eigenüberwachung durch Baustoffproduzenten (Hersteller) und Auftragnehmer (ausführende Bauunternehmen) und
- Kontrollprüfung durch den Auftraggeber zur Bewertung der bauvertraglichen Leistung.
Die Eigenüberwachung ist eine Herstelleraufgabe, sie kann aber auch durch ein vom Hersteller beauftragtes Labor ausgeführt werden. Eine Anerkennung ist für diese Tätigkeit nicht vorgeschrieben.
Die Kontrollprüfungen sind möglichst durch nach den „Richtlinien für die Anerkennung von Prüfstellen für Baustoffe und Baustoffgemische im Straßenbau“ (RAP Stra) anerkannte Prüfstellen durchzuführen. Prüfstellen, die mit einer Eigenüberwachung beauftragt sind und gleichzeitig Kontrollprüfungen ausführen, sollten mögliche Interessenkonflikte beachten.
2.2 Prüfungsarten
Mit der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 sind die Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten (EU-BauPVO) am 4. April 2011 im EU-Amtsblatt bekanntgemacht worden. Sie hat mit Wirkung vom 1. Juli 2013 die Bauproduktenrichtlinie aus dem Jahr 1988 abgelöst. Die Bauproduktenverordnung gibt den europäischen Rahmen für die Anforderungen an die Bauprodukte, festgehalten in den harmonisierten Europäischen Normen, für deren Bearbeitung ein Mandat erteilt wurde, vor.
Im Anhang V der Bauproduktenverordnung sind 5 Systeme für die Bewertung der Leistungsbeständigkeit aufgeführt. Für Asphaltmischgut, für Gesteinskörnungen, für Straßenbaubitumen und für Polymermodifizierte Bitumen ist beispielsweise das System 2+ festgelegt. Danach hat der Hersteller oder ein von ihm beauftragtes Labor folgende Elemente für eine Zertifizierung zu erfüllen:
- Typprüfung (bisher Erstprüfung) des Produktes,
- Prüfung der im Werk entnommenen Proben nach festgelegtem Prüfplan,
- Werkseigene Produktionskontrolle.
Für die weiteren Elemente hat der Hersteller eine notifizierte Stelle zu beauftragen, die die
- Erstinspektion des Werkes und der Werkseigenen Produktionskontrolle und die
- laufende Überwachung, Bewertung und Evaluierung der Werkseigenen Produktionskontrolle (WPK)
ausführt.
Mit diesem Verfahren – früher auch als Konformitätsnachweis, heute als Nachweis der Leistungsbeständigkeit bezeichnet – wird die Übereinstimmung des Bauproduktes mit den Anforderungen der entsprechenden Europäischen Norm ausgewiesen, der dann – die Zertifizierung durch die notifizierte Stelle vorausgesetzt – zur Berechtigung der Veröffentlichung der Leistungserklärung und der CE-Kennzeichnung führt. Die Verfahrensweisen für den Nachweis der Leistungsbeständigkeit sind in den nationalen Technischen Lieferbedingungen für die jeweiligen Baustoffe, herausgegeben von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), aufgeführt. Dabei handelt es sich aber nicht um eine Produktzertifizierung, die auf eine Produktprüfung zurückzuführen ist, sondern es erfolgt eine Systemzertifizierung, mit der das Qualitätssystem des Herstellers regelmäßig durch eine unabhängige Stelle beurteilt wird. Die CE-Kennzeichnung ist somit kein direkter Nachweis für die Qualität eines Produktes.
Straßenbaustoffe, die keiner mandatierten harmonisierten Europäischen Norm unterliegen, sind nicht nach dem System 2+ zu überwachen. Dennoch ist für diese Straßenbaustoffe eine Überwachung vertraglich gefordert. Sie sind entsprechend den einzelnen Regelungen für diese Baustoffe, herausgegeben von der FGSV unter dem Leittitel „Technische Lieferbedingungen – Teil: Güteüberwachung“, der Eigen- und Fremdüberwachung zu unterziehen. Die Eigenüberwachung kann durch den Hersteller, Lieferanten oder durch ein beauftragtes Labor ausgeführt werden. Ein besonderer Anerkennungsnachweis ist für diese Prüfungen nicht vorgesehen. Im Rahmen der Fremdüberwachung ist die sachgerechte und regelmäßige Ausführung der Eigenüberwachung durch eine für das jeweilige Fachgebiet nach den RAP Stra anerkannte Prüfstelle in bestimmten Abständen zu kontrollieren, zu dokumentieren und bekanntzugeben.
Beispielhaft für eine derartige Güteüberwachung sind die „Technische Lieferbedingungen für Baustoffgemische und Böden zur Herstellung von Schichten ohne Bindemittel im Straßenbau Teil: Güteüberwachung“ (TL G SoB-StB) zu nennen.
Im Rahmen des Bauvertrages sind durch den Auftragnehmer des Bauvorhabens ebenfalls Eigenüberwachungsprüfungen unabhängig von der Eigenüberwachung des Herstellers vertraglich vorgeschrieben. Der Auftragnehmer oder ein durch ihn Beauftragter hat festzustellen, ob die Güteeigenschaften der Baustoffe, der Baustoffgemische und der fertigen Leistung den vertraglichen Anforderungen entsprechen. Die Ergebnisse der Eigenüberwachung kann der Auftraggeber auf Verlangen einsehen.
Grundlage für die Abnahme und gegebenenfalls für die Abrechnung der Baumaßnahme sind Kontrollprüfungen zur Bewertung der Qualität der verwendeten Baustoffe, der Baustoffgemische und der fertigen Leistung durch den Auftraggeber. Diese Prüfungen kann er selbst durchführen oder an eine nach den RAP Stra anerkannte Prüfstelle vergeben. Schiedsuntersuchungen und zusätzliche Kontrollprüfungen sind ebenfalls Kontrollprüfungsmaßnahmen, die in besonderen Situationen angewendet werden können.
Der Umfang der Kontrollprüfungen ist individuell in der Beauftragung festzulegen. In den einzelnen Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien sind jedoch Hinweise mit Richtliniencharakter für den Prüfumfang der Kontrollprüfungen aufgeführt.
Die Veranlassung der Kontrollprüfung durch den Auftragnehmer entspricht nicht dem Rahmen des Bauvertrages, da die Kontrollprüfung eine Prüfung des Auftraggebers ist. Die Ergebnisse werden aber für die Abwicklung des Bauvertrages benötigt.
Bei der Vergabe von Kontrollprüfungsaufträgen werden durch die Auftraggeber unterschiedliche Verfahren angewendet:
- Ausschreibung der Prüfungen für einzelne Baumaßnahmen oder für einen Jahresvertrag,
- Ausschreibung im Leistungsverzeichnis der Baumaßnahme zur Veranlassung der Kontrollprüfung durch den Auftragnehmer,
- freihändige Beauftragung (Vergabe).
Die Ausschreibung der Prüfungen für einzelne Baumaßnahmen oder für Jahresverträge kann zu einer ungünstigen Wettbewerbssituation zwischen den anbietenden Prüfstellen führen. Als Konsequenz kann daraus eine nicht vorschriftengerechte Prüfungsdurchführung und letztlich ein zusätzlicher Prüfaufwand, z.B. in Form von Schiedsuntersuchungen, entstehen.
Bei Ausschreibungen im Leistungsverzeichnis der Baumaßnahme gibt der Auftraggeber zusätzlich zu den zuvor beschriebenen Nachteilen sogar sein unmittelbares Wahlrecht der Prüfstelle aus der Hand.
Nicht zuletzt wegen der vorgenannten Problematik hat sich in vielen Bundesländern die freihändige Vergabe an eine nach den RAP Stra anerkannte Prüfstelle auf Basis eines zuvor eingeholten Angebots bewährt.
2.3 Verantwortlichkeiten
2.3.1 Verantwortung des Auftragnehmers
Bei der Definition des Begriffes Auftragnehmer ist zwischen dem Hersteller, gegebenenfalls dem Lieferanten, und dem Anwender des Produktes zu unterscheiden. Der Hersteller oder Lieferant des Produktes ist lediglich ein Händler für den Auftragnehmer des Bauvorhabens, der in dieser Funktion als Auftraggeber auftritt. Zwischen beiden besteht ein Liefervertrag, während der Auftragnehmer des Bauvorhabens einen Bauvertrag – im juristischen Sinne einen Werkvertrag – mit dem Auftraggeber des Bauvorhabens abgeschlossen hat. Der Hersteller oder Lieferant hat keine direkte Mitwirkungspflicht und -möglichkeit am Bauvorhaben.
Allerdings hat der Hersteller des Produktes für die europäisch harmonisierten Bauprodukte den Nachweis der Leistungsbeständigkeit zu erbringen und die Leistungserklärung (früher: Konformitätserklärung) zu erstellen. Die Basis für die Leistungserklärung ist die Typprüfung, die durch den Hersteller oder Lieferanten zu veranlassen ist. Außerdem hat er die CE-Kennzeichnung entsprechend den Vorgaben der Produktnormen und der BauPVO am Produkt anzubringen oder mit dem Lieferschein auszudrucken. Dazu gehört auch, dass die zertifizierende Stelle anzugeben ist.
Im Grundsatz gilt das auch für nicht harmonisierte Baustoffe. Hier ist eine Güteüberwachung, bestehend aus Eigenüberwachung und Fremdüberwachung, nach den Vorgaben des Technischen Regelwerkes zu installieren. Allerdings entfällt bei diesem Verfahren das institutionelle Zertifizierungsverfahren der WPK und damit der Nachweis der Leistungsbeständigkeit. Die Kosten für den Nachweis der Leistungsbeständigkeit bzw. für die Güteüberwachung hat der Hersteller oder Lieferant des Produktes zu tragen.
Während der Ausführung der Bauarbeiten hat der Auftragnehmer ebenfalls eine Eigenüberwachung seiner eigenen Leistung auszuführen oder zu veranlassen, und dem Auftraggeber die entsprechenden Ergebnisse auf Verlangen vorzulegen. In diesem Zusammenhang wird oft vergessen, dass der Auftragnehmer nach den VOB C „Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) Verkehrswegebauarbeiten; Oberbauschichten“ ohne Bindemittel (DIN 18315), mit hydraulischen Bindemitteln (DIN 18316) und aus Asphalt (DIN 18317) sich während der Ausführung des Bauvorhabens zu vergewissern hat, dass die verwendeten Stoffe und Stoffgemische den vertraglichen Anforderungen entsprechen. Der Auftragnehmer ist somit durch den Bauvertrag stets verpflichtet, eine Eingangskontrolle zu veranlassen. Auf die Wareneingangskontrolle nach HGB § 377 wird in diesem Zusammenhang hingewiesen. Die Kosten für diese Eigenüberwachungsaufgaben hat der Auftragnehmer des Bauvorhabens zu tragen.
2.3.2 Verantwortung des Auftraggebers
Mit der Kontrollprüfung hat der Auftraggeber die Möglichkeit, die Qualität der Baustoffe, der Baustoffgemische und der fertigen Leistung zu überprüfen und deren Ergebnisse als Grundlage für die Abnahme heranzuziehen. Häufig, insbesondere im kommunalen Bereich, wird auf Kontrollprüfungen verzichtet. Damit verzichtet der Auftraggeber aber auch auf Ansprüche, wie beispielsweise auf die Prüfung der vertraglich geschuldeten Leistung oder auf die Umkehr der Beweislast im Schadensfall während der Verjährungsfrist für Mängelansprüche. Die eingesparten Kosten für die Kontrollprüfungen stehen oft in keinem Verhältnis zu den schadensbedingten Folgekosten.
Kontrollprüfungen sind Prüfungen des Auftraggebers. Er hat sie zu veranlassen und soll die notwendigen Probenahmen – auch wenn er diese an den Auftragnehmer oder Dritte als Hilfeleistung vergeben hat – überwachen, um Verwechselungen oder Manipulationen auszuschließen.
Auch für die Aufbewahrung und für den Versand der Proben von der Baustelle muss die Verantwortung beim Auftraggeber verbleiben. Verschiedentlich wird nicht nur die Probenahme mit den damit verbundenen Tätigkeiten dem Auftragnehmer übertragen, sondern auch die Veranlassung der Prüfung einschließlich der Übernahme der daraus entstehenden Kosten. Diese Verfahrensweise entspricht nicht dem Grundsatz, dass Kontrollprüfungen „Prüfungen des Auftraggebers“ sind (vgl. Abschn. 2.2).
Für den Auftraggeber besteht die Möglichkeit, die Art und den Umfang der Kontrollprüfungen eigenständig festzulegen. Es ist allerdings zweckmäßig, den Empfehlungen in den Technischen Regelwerken zu folgen. Die Kontrollprüfung durch den Auftraggeber befreit den Auftragnehmer nicht von seiner Eigenüberwachungspflicht.