Die Festigkeit von Asphalt

Verfasseranschriften:
Prof. Dr.-Ing. Kurt Schellenberg, Dr.-Ing. Peter Schellenberg, Institut für Materialprüfung Dr. Schellenberg Rottweil GmbH, Rottweiler Straße 13, 78628 Rottweil, rottweil@ifm-dr-schellenberg.de

Die Festigkeit von Asphalt

Bei der Prüfung der Festigkeit von Baustoffen ist von Bedeutung, welche Reaktionen die Probekörper verschiedener Baustoffe beim Aufbringen von Spannungen zeigen. Bei einer hydraulischen Bindung, wie beim Beton, treten bei der Prüfung der Festigkeit überwiegend elastische Verformungsanteile auf, die es gestatten, vor dem Bruch des Probekörpers den Elastizitätsmodul zu bestimmten. Bei der Prüfung von Beton gibt es eine direkte Abhängig-keit der Druckfestigkeit vom E-Modul. Insoweit liefert die Prüfung der Druckfestigkeit, also das Aufbringen einer kurzzeitigen gleichmäßigen Druckspannung bis zum Bruch des Probekörpers aus Beton, eine direkte Aussage über die Festigkeit des Betons nach einer festgelegten Wartezeit. Bei elastischen Baustoffen kann auch von der Druckfestigkeit ausgehend, mit Hilfe von Umrechnungsfaktoren, die Größenordnung der Zugfestigkeit der Biegezugfestigkeit und der Spaltzugfestigkeit ermittelt werden.

Ganz anders verhält es sich bei der Prüfung von Asphalt, der Bitumen als Bindemittel oder Modifikationen mit Polymeren oder Wachsen enthält. Das thermoplastische Bindemittel im Asphalt führt, abhängig von der Temperatur bei Druck-, Zug-, Biegezug und Spaltzug-prüfungen, zu Festigkeiten mit unterschiedlich ausgeprägten irreversiblen plastischen Verformungsanteilen. Zähigkeiten von Asphalt sind nur im Plustemperaturbereich von Bedeutung, weil bei Minustemperaturen keine bleibenden Verformungen auftreten. Bei Minustemperaturen kommt es allenfalls zu Rissbildungen, denen nicht durch Zugfestigkeitsreserven des Asphalts [1] begegnet werden kann, sondern vielmehr durch Dehnungsreserven, die dazu beitragen Spannungen durch Dehnungen abzubauen (Relaxation).

Festigkeiten beim Asphalt zu prüfen wie beim Beton, muss zwangsläufig zu Fehlinter-pretationen führen. Das ist auch der Grund dafür, warum das in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts aus Amerika übernommene Verfahren der Prüfung der Marshall-Stabilität nicht zielführend sein konnte. Bekanntlich wird bei der Prüfung der Stabilität nach Marshall der Probekörper aus Asphalt bei konstanter Temperatur von 60 °C mit einem konstanten Vorschub von 50 mm/Minute so lange belastet, bis er zerstört ist. Die dabei gemessene maximale Kraft in kN als Stabilität nach Marshall spricht auch nicht darauf an, ob dem Bindemittel elastifizierende Zusätze, zum Beispiel Polymere, zugesetzt werden.

Um aussagefähige Prüfungen der mechanischen Eigenschaften von Asphalt zu erhalten, dürfen keine zerstörenden Versuche wie Druck- und Spaltzugversuche durchgeführt werden. Es sind vielmehr, in Abhängigkeit von der Temperatur, die jeweiligen Viskositäten zu prüfen, das heißt, den Widerstand gegen Verformungen zu ermitteln, den der Asphalt den entsprechenden Beanspruchungen entgegenstellt. Dabei müssen bei der Prüfung von Bitumen, Asphaltmörtel, Walzasphalt und Gussasphalt bei verschiedenen Prüftemperaturen auch die Spannungen angepasst werden, um auswertbare Verformungen (Viskositäten) zu erreichen, in Abhängigkeit von der Zeit.

Bei der Prüfung der Festigkeit von Asphalt geht es um rheologische Wirkungsmechanismen.
Am Beispiel der Durchführung von Druck-Schwellversuchen nach TP Asphalt-StB, Teil 25 B 1 kann die vorgenannte Problematik erläutert werden. Die auszuwählenden Oberspannungen sind auf die Steifigkeit des zu prüfenden Asphalts abzustimmen, weil der Asphalt bei der Prüfung nicht zerstört werden darf und andererseits abhängig von der Zeit ein Verformungsverhalten erreicht werden muss, welches ausgewertet werden kann. So wurde über Forschungsaufträge schon früh erkannt, dass bei der Prüfung eines Splittmastixasphaltes die Oberspannung von 0,2 MPa wie beim Asphaltbeton auf 0,35 MPa erhöht werden muss. Bei der Prüfung der noch steiferen Asphaltbinderschichten und Asphalttragschichten ist – immer bei Prüfungen an Probekörper nach Marshall bei 50 °C – die Oberspannung auf 0,5 MPa zu erhöhen, um auswertbare Verformungsraten in der Größenordnung von 1 – 50 • 10-4 ‰ pro Lastwechsel zu erhalten.

In den Technischen Vorschriften sind für die Erstprüfungen/Eignungsprüfungen bis heute keine Anforderungen an das Verformungsverhalten von Deck-, Binder- oder Tragschichten gestellt. Die Festlegung der erforderlichen Bindemittelmenge ist problematisch, wenn dafür keine mechanischen Festigkeiten zugrunde gelegt werden, sondern volumetrische Kennwerte, wie ausgewählte Hohlraumgehalte am Probekörper nach Marshall. Der Hohlraumgehalt ist keine konstante Größe im Sinne einer Optimierung der Bindemittelmenge, sondern abhängig von der Belagsart. So weist Splittmastixasphalt wenige große Poren auf, im Vergleich zum Asphaltbeton mit mehr kleinen Poren, bei identischem Hohlraumgehalt. Dies hat Konsequenzen, weil Splittmastixasphalt im Gegensatz zum Asphaltbeton bei 4 Vol.-% Hohlraumgehalt deutlich wasserdurchlässiger ist.

Der Hohlraumgehalt ist zur Festlegung der Sollbindemittelmenge auch deshalb keine konstante Größe, weil auch der Kornbereich des Asphaltes von Bedeutung ist. Mit abnehmendem Größtkorn von 11 mm auf 5 mm ist ein größerer Hohlraumgehalt möglich, um vergleichbare Eigenschaften zu erhalten.

Die Festlegung der optimalen Bindemittelmenge muss über das Verformungsverhalten ermittelt werden. Der Abb. 1 ist zu entnehmen, dass sich bei der Durchführung von Druck-Schwell-Versuchen ein ausgeprägtes Verformungsminimum in Abhängigkeit von der Bindemittelmenge einstellt.

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Abb. 1

Die auf das Verformungsminimum abgestimmte Bindemittelmenge ist als optimal zu bezeichnen, bezogen auf die jeweilige Zusammensetzung des Splittmastixasphaltes.

Um Spurrinnenbildungen bei hohen Temperaturen im Sommer zu vermeiden, sind entsprechende Dehnungsraten als „Festigkeit“ in Druck-Schwell-Versuchen anzustreben, die nicht nur am Probekörper nach Marshall, sondern auch an den Originalschichten durchgeführt werden können, bei Reduzierung der Oberspannung. 

Die Messungen des Verformungsverhaltens/Viskositäten haben sich auch bewährt bei der Ansprache der Rissanfälligkeit von Asphalt durch Versprödungen, insbesonders bei Asphalt-Deckschichten. Asphalt kann man wegen den durch das Bindemittel bedingten Relaxationseigenschaften über viele Kilometer ohne Fugen einbauen, weil die durch Verkehrsbelastungen und Temperaturen entstehenden Spannungen durch Dehnungen abgebaut werden. Eine Eigenschaft, die den Asphalt besonders auszeichnet. Voraussetzung dafür ist, dass die relaxierenden Eigenschaften des Asphaltes auf der Straße nicht durch Versprödungen eliminiert werden, die durch oxidative und destillative Veränderungen des Bindemittels in Abhängigkeit von der Porosität des Asphaltbelages im Asphalt entstehen und dann zu Rissbildungen führen können.

Die Versprödung des Asphaltes kann auch durch die Prüfung des Verformungswiderstands mit Hilfe von Druck-Schwellversuchen nachgewiesen werden. Es ist nicht nur eine hohe Steifigkeit des Asphaltes mit möglichst niedrigen Verformungsraten in Druck-Schwell-versuchen zur Vermeidung von Spurrinnen anzustreben, sondern auch eine Mindestverformungsrate, die die noch vorhandene Relaxationsfähigkeit des Asphaltes widerspiegelt.

Anhand von Schadensfällen auch im Bereich von Vollrecycling ist bei Asphaltbeton-Deck-schichten am Probekörper nach Marshall eine Mindestdehnungsrate über 5 • 10-4 ‰ pro Lastwechsel erforderlich, bei einer erhöhten Oberspannung von 0,35 MPa. Immer dann, wenn der Asphalt bei der Prüfung mit zunehmender Oberspannung nur noch eine geringe Zunahme an Verformung aufweist, ist das Relaxationsvermögen eingeschränkt und die Rissanfälligkeit wegen Versprödung offenkundig. Die durch Versprödung des Asphaltes entstehenden Veränderungen und Rissbildungen können nicht mit Hilfe von Abkühl-versuchen überprüft werden. Asphalt als spannungsabbauender, relaxierender Baustoff ist nicht auf seine Festigkeit, sondern auf sein Verformungsverhalten unter variabler Last in Druck-Schwellversuchen zu prüfen. Das Ergebnis ist als Zähigkeit zu bezeichnen.

Das Verformungsverhalten unter Spannung kann über die Zugviskosität anhand von Retardationsversuchen an Bindemittel und Asphaltmörtel mit dem REVIS-Verfahren [2] überprüft werden. Dabei wird auf reibungsfrei gelagerte Probekörper, in Form von Schulterstäben, eine spontane gleichbleibende Zugspannung bei konstanter Temperatur aufgebracht. Aus der dadurch entstehenden Verformungskurve kann die Viskosität mit hoher Präzision errechnet werden. Auch bei diesen Prüfungen müssen die jeweiligen Spannungen den entsprechenden Prüftemperaturen angepasst werden entsprechend Tab. 1.

Das Verformungsverhalten unter Spannung kann über die Zugviskosität anhand von Retardationsversuchen an Bindemittel und Asphaltmörtel mit dem REVIS-Verfahren [2] überprüft werden. Dabei wird auf reibungsfrei gelagerte Probekörper, in Form von Schulterstäben, eine spontane gleichbleibende Zugspannung bei konstanter Temperatur aufgebracht. Aus der dadurch entstehenden Verformungskurve kann die Viskosität mit hoher Präzision errechnet werden. Auch bei diesen Prüfungen müssen die jeweiligen Spannungen den entsprechenden Prüftemperaturen angepasst werden entsprechend Tab. 1.

Prüftemperatur

Zugspannung MPa

°C

Bindemittel

Asphaltmörtel

+5

0,01

0,10

-5

0,10

0,10

-15

0,25

0,25

-25

0,25

0,50

Tab. 1: Zugspannungen versus Prüftemperatur

Mit den angepassten unterschiedlichen Spannungen ergeben sich bei Bestimmung der Viskositäten im Retardationsversuch mit dem REVIS-Verfahren bei den verschiedenen Prüftemperaturverfahren sehr plausible Ergebnisse [3] mit jeweils geradlinigem Verlauf bei logarithmischer Darstellung in der Dimension MPa • s wie Abb. 2. für das Bindemittel Bitumen zeigt:

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Abb. 2

und auch Abb. 3 für polymermodifiziertes Bitumen mit unterschiedlicher Modifikation

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Abb. 3

Die hoch gesicherten Abhängigkeiten bei allen Versuchen führen dazu, dass zum Vergleich der Viskositäten die REVIS-Versuche nur bei einer Temperatur durchgeführt werden müssen, als Ersatz für den Erweichungspunkt Ring und Kugel, dessen Bestimmung bei der Prüfung von modifiziertem Bitumen keine Aussage über die tatsächliche Viskosität liefert, wie nachfolgende grafische Darstellung in Abb. 4 zeigt.

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Abb. 4

Die geprüften PmB 1, PmB 2 und PmB 4 weisen hohe Erweichungspunkte Ring und Kugel zwischen 75 und 80 °C auf, bei relativ niedrigen absoluten Viskositäten im Vergleich zu
PmB 3, PmB 5 und PmB 6.

Bei der Prüfung von Bitumen korrespondieren die Erweichungspunkte Ring und Kugel sehr gut mit den im REVIS-Verfahren ermittelten Viskositäten, wie auf Abb. 5 zu erkennen ist.

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Abb. 5

Bei der Zähigkeit des Asphalts kommt es nicht nur auf die Viskosität des Bindemittels an, sondern entscheidend auch auf die Viskosität des im Asphalt enthaltenen Asphaltmörtels, da das im Asphalt enthaltene Steinmehl (Füller), je nach Art und Menge, den aus Bindemittel und Steinmehl bestehende Asphaltmörtel versteift. Die Viskosität des Asphaltmörtels kann ebenfalls mit dem Prüfverfahren REVIS ermittelt werden.

In Abb. 6

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Abb. 6

ist die Zugviskosität in Abhängigkeit von der Füllermenge im Asphaltmörtel bei einer Prüftemperatur von -15 °C dargestellt.

Der Abb. 7

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Abb. 7

sind die entsprechenden Ergebnisse bei Zugviskositäten von +35 °C zu entnehmen.

Die Ergebnisse der Viskositätsmessungen beim REVIS-Verfahren folgen immer dem Ansatz log (lZ) = a + b x T.

Die Ergebnisse der Viskositätsmessungen folgen entsprechend nachfolgender Abb. 8 sowohl beim Bindemittel Bitumen wie auch bei dem polymermodifizierten Bitumen der Gesetzmäßigkeit.

log (lZ) = a + b x T

a = Viskositätsniveau bei T = 0 °C
b = Temperaturempfindlichkeit der Viskosität
T = Temperatur

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Abb. 8: Verlauf der Viskosität in Abhängigkeit von der Temperatur

Durch die Änderung des Füller-Bitumen-Verhältnisses bei Gussasphalt von 3,0 : 1 bis 4,0 : 1 wird über die gesamte Temperaturspanne von -15 °C bis +35 °C die Viskosität um eine Zehnerpotenz erhöht (siehe Abb. 9).

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Abb. 9

Je nach den gewünschten Eigenschaften bei Gussasphalt, kann die Viskosität des Mörtels entsprechend eingestellt werden. Die Mörtelviskosität bestimmt unmittelbar die mechanischen Eigenschaften des Gussasphaltes wie die Grafik in Abb. 10 zeigt.

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Abb. 10

Exemplarisch kann aus Abb. 9 abgelesen werden, dass, wenn die dyn. Eindringtiefe am Gussasphaltprobekörper von 4 mm auf 1 mm reduziert werden soll, dann die Mörtelviskosität bei einer Prüftemperatur von +35 °C von 1500 auf 4300 MPa • s erhöht werden muss.

Zusammenfassung

Die Erweichungspunkte Ring und Kugel, als konventionell ermittelte Viskositäten, korrespondieren bei der Prüfung von Bitumen gut mit den Viskositäten, die im REVIS-Verfahren ermittelt werden.

Sobald aber durch Zugabe von Polymeren oder Wachsen das rheologische Verhalten von Bitumen verändert wird, liefert der Erweichungspunkt Ring und Kugel des modifizierten Bitumens keine Aussage über die tatsächliche Viskosität des Bindemittels weil, wie in Abb. 4 dargestellt, bei einem Erweichungspunkt Ring und Kugel von 80 °C, ein weicheres modifiziertes Bitumen vorliegen kann, im Vergleich zu einem Erweichungspunkt Ring und Kugel von 60 °C.

Die Prüfung der Verformungsneigung eines Asphaltes zur Vermeidung von Verformungen bei hohen Temperaturen im Sommer (Spurrinnen, Eindrücke) kann nicht über die Prüfung von Festigkeiten durch Zerstörung der Proben erfolgen, wie beim elastischen Baustoff Beton, sondern nur über die Messung von Viskositäten (Verformungen) mit angepassten Spannungen, um einerseits das Gefüge der Probekörper nicht zu zerstören und andererseits entsprechend auswertbare Verformungen in Abhängigkeit von der Zeit zu erhalten. Anstelle des Begriffs Festigkeit muss beim Asphalt die Eigenschaft Zähigkeit treten, die entscheidend durch die Mörtelviskosität bestimmt wird.

Da die gemessenen Viskositäten (Zähigkeiten) mit dem REVIS-Verfahren gut abgesicherten, stringenten Gesetzmäßigkeiten log (lZ) = a + b x T entsprechen, reicht es aus, für den Vergleich der absoluten Viskositäten unterschiedlicher Bindemittel und Asphaltmörtelgemische, Zugretardationsversuche nach dem REVIS-Verfahren auf eine einheitliche Temperatur von +5 °C zu reduzieren. Dadurch, dass mit dem Verfahren sowohl Bindemittel, als auch Asphaltmörtel geprüft werden können, kann die Auswirkung der einzelnen Komponenten auf die Viskosität direkt vom Bindemittel über den Asphaltmörtel bis zum konzipierten Asphalt nachgewiesen werden.

[1]

FGSV-Arbeitspapier Tieftemperaturverhalten von Asphalt; Teil 1: Zug- und Abkühlversuche

[2]

FGSV-Arbeitsanleitung zur Bestimmung der Viskositäten von Bitumen, bitumenhaltigen Bindemitteln und bitumenhaltigem Mörtel bei niedrigen Temperaturen im Retardationsversuch mit dem REVIS-Verfahren

[3]

Kurt Schellenberg, Peter Schellenberg: Die Viskositäten von Bindemittel und Asphaltmörtel im Zugretardationsversuch mit Anwendungsbeispielen Straße und Autobahn 6/2010